Schreibkultur 1906
Über Schreibfedern
von Peter Altenberg (1859 – 1919)
Jeder Kultur-Mensch müßte eine Schreibfeder haben, die irgendwie mit seiner Persönlichkeit zusammenhinge! Man müßte es sich einfach nicht recht vorstellen können, wie er mit einer anderen schreiben könnte. Jede andere müßte für ihn direkt eine Gedanken-Hemmerin, eine Empfindungs-Zurückdrängerin sein! Während die ihm zugehörige Schreibfeder gleichsam von selbst Geist und Seele zu Papier brächte, in Schrift umsetzte!
Meine Feder ist die blaue Stahlfeder Kuhn 201. Wie eine Cremoneser Geige, wird sie durch Benützung immer sanfter und besser. Oft scheint sie fast dem sogenannten »Gedankenfluge« vorauszueilen. Jedesfalls überlasse ich mich ihr, als einer sicheren edlen Führerin.
Ein ausländischer Psychologe schrieb mir vor zwei Jahren: »Ich brauche es für ein grundlegendes Werk – – – was wissen Sie mir über die Art Ihrer Produktion Wichtiges mitzuteilen?!?«
Ich erwiderte sofort: «Blaue Stahlfeder Kuhn 201, Papier–Groß–Quart–Format, starke Pappendeckel-Unterlage, um, im Bette liegend, schreiben zu können. Seelenruhe und etwas Geld. Alles andere nebensächlich!«
Wenn mir eine junge Dame sagt: »Ich schreibe alles nur mit der Feder so und so«, wird sie mir bereits dadurch innerlich nähergerückt. Wenn eine ältere Dame es sagt, halte ich es für eine Schrulle.
Keine bestimmte Schreibfeder zu benützen, ist ein Zeichen von »mangelnder Individualität« würde ein Moderner dekretieren.
Ich aber sage nur sanft und bescheiden: Blaue Stahlfeder Kuhn 201, sei bedankt!
Idylle
von Peter Altenberg (1859 – 1919)
Ich besitze einen Stahlfeder-Schützer aus schwarzen langen Borsten-Bündeln in einem hellblauschimmernden, opalisierenden matten Glastöpfchen. Feder-Schutz in idealer Hülle. Ich denke an die Gesellschaft »Kinderschutz«. Etwas Zartes, Brauchbares wird sanft und zärtlich erhalten. Ich bette die willig-elastische Kuhn-Feder ein wie ein Kindchen in eine Wiege. Ich bin sicher, daß ihr nichts Böses geschieht. Sie trocknet und ruht. Und das Glastöpfchen, der Borsten-Behälter, irisiert hellblau wie Wasserwellen im Sonnenlichte. Und Stahlfeder und Feder-Trockner erwidern meine Liebe, meine Zärtlichkeit, denn sie lassen sie sich ruhig gefallen!
von Peter Altenberg (1859 – 1919)
Jeder Kultur-Mensch müßte eine Schreibfeder haben, die irgendwie mit seiner Persönlichkeit zusammenhinge! Man müßte es sich einfach nicht recht vorstellen können, wie er mit einer anderen schreiben könnte. Jede andere müßte für ihn direkt eine Gedanken-Hemmerin, eine Empfindungs-Zurückdrängerin sein! Während die ihm zugehörige Schreibfeder gleichsam von selbst Geist und Seele zu Papier brächte, in Schrift umsetzte!
Meine Feder ist die blaue Stahlfeder Kuhn 201. Wie eine Cremoneser Geige, wird sie durch Benützung immer sanfter und besser. Oft scheint sie fast dem sogenannten »Gedankenfluge« vorauszueilen. Jedesfalls überlasse ich mich ihr, als einer sicheren edlen Führerin.
Ein ausländischer Psychologe schrieb mir vor zwei Jahren: »Ich brauche es für ein grundlegendes Werk – – – was wissen Sie mir über die Art Ihrer Produktion Wichtiges mitzuteilen?!?«
Ich erwiderte sofort: «Blaue Stahlfeder Kuhn 201, Papier–Groß–Quart–Format, starke Pappendeckel-Unterlage, um, im Bette liegend, schreiben zu können. Seelenruhe und etwas Geld. Alles andere nebensächlich!«
Wenn mir eine junge Dame sagt: »Ich schreibe alles nur mit der Feder so und so«, wird sie mir bereits dadurch innerlich nähergerückt. Wenn eine ältere Dame es sagt, halte ich es für eine Schrulle.
Keine bestimmte Schreibfeder zu benützen, ist ein Zeichen von »mangelnder Individualität« würde ein Moderner dekretieren.
Ich aber sage nur sanft und bescheiden: Blaue Stahlfeder Kuhn 201, sei bedankt!
Idylle
von Peter Altenberg (1859 – 1919)
Ich besitze einen Stahlfeder-Schützer aus schwarzen langen Borsten-Bündeln in einem hellblauschimmernden, opalisierenden matten Glastöpfchen. Feder-Schutz in idealer Hülle. Ich denke an die Gesellschaft »Kinderschutz«. Etwas Zartes, Brauchbares wird sanft und zärtlich erhalten. Ich bette die willig-elastische Kuhn-Feder ein wie ein Kindchen in eine Wiege. Ich bin sicher, daß ihr nichts Böses geschieht. Sie trocknet und ruht. Und das Glastöpfchen, der Borsten-Behälter, irisiert hellblau wie Wasserwellen im Sonnenlichte. Und Stahlfeder und Feder-Trockner erwidern meine Liebe, meine Zärtlichkeit, denn sie lassen sie sich ruhig gefallen!
Clarisse1 - 14. Mär, 10:18
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