Aufgespießtes
von Betty Paoli (1814 – 1894)
"Was du von dieses Berges Zinnen
Erschaust im weitgedehnten Kreis,
Durch meine Gunst kannst du's erringen,
Und, wahrlich, um geringen Preis.
Ich trage dich zu Ruhm und Ehre
Empor mit meines Fittichs Schwung!
Du fragst, was ich dafür begehre?
Nichts als nur deine Huldigung.
Jedwedes Ziel magst du erstreben,
Wenn du vor mir die Kniee beugst,
Und mit der Ehrfurcht scheuem Beben
Für meine Oberhoheit zeugst.
Dein sei das Maß der Herrlichkeiten,
So lang du mir zu Willen bist!"
Der Satan sprach's in alten Zeiten,
Und heute sagt's der Journalist.
Clarisse1 - 11. Jan, 14:10
von Adolf Glaßbrenner (1810 – 1876)
Die Raupe auf dem Baume saß,
Und von der Kron' die Blätter fraß –
Ja ja!
Sie war im bunten Kleide,
Als wie von Sammt und Seide,
Ha ha ha ha ha ha!
Ein Staatsminister ging vorbei,
Der sah das Thier und sprach: Ei ei!
Ja ja!
Wie konnt' es ihr gelingen?
'S geht nicht mit rechten Dingen!
Ha ha ha ha ha ha!
Du unbehülflich dummes Thier!
Ich wundre mich, drum sage mir:
Ja ja!
Wie hast du's unternommen,
Und bist so hoch gekommen?
Ha ha ha ha ha ha!
Und als die Raupe blieb nicht stumm,
Da wurd' er roth und dreht sich um.
Ja ja!
Die Raupe hat gesprochen:
Mein Freund, ich bin gekrochen!
Ha ha ha ha ha ha!
Aus: Adolf Glaßbrenner: Verbotene Lieder. Von einem norddeutschen Poeten. Bern: Jenni 1844.
Clarisse1 - 9. Jan, 08:15
"Würde" ist die konditionale Form von dem, was einer ist.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 5. Jan, 10:33
Manchmal haben wir in Deutschland eine sogenannte 'politische Krise'. Wenn sie vor Weihnachten ausbricht, wird sie bis nach Weihnachten vertagt. Kein Mensch merkt in der Zwischenzeit, daß es eine Krise gibt. Man denke sich einen Fieberkranken, der zu seinem Arzt sagt: "Wissen Sie was, Doktor, morgen habe ich Geburtstag. Vertagen wir die Krise bis zur nächsten Woche!"Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]
Clarisse1 - 4. Dez, 09:32
Religion, Moral und Patriotismus sind Gefühle, die sich erst dann bekunden, wenn sie verletzt werden. Der Sprachgebrauch, welcher sagt, daß einer, der leicht zu beleidigen ist, "gern" beleidigt ist, hat recht. Jene Gefühle lieben nichts so sehr wie ihre Kränkung, und sie leben ordentlich auf in der Beschwerde über den Gottlosen, den Sittenlosen, den Vaterlandslosen. Den Hut vor der Monstranz zu ziehen, ist bei weitem keine so große Genugtuung wie ihn jenen vom Kopf zu schlagen, die andersgläubig oder kurzsichtig sind.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 28. Okt, 11:25
Es gibt einen Kulturgeschmack, der sich der Läuse im Pelz mit aller Gewalt zu entledigen sucht. Es gibt einen, der die Läuse duldet und den Pelz auch so tragbar findet. Und es gibt schließlich einen, der am Pelz die Läuse für die Hauptsache hält und deshalb den Pelz den Läusen zur freien Verfügung überläßt.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 21. Okt, 09:49
von Karl Kraus (1874 – 1936) in: "Die Fackel", Nr. 81, Juni 1901, S. 5-7
Die Börsenräthe haben eine "Action" gegen die Hofräthe vom Obersten Gerichtshof angekündigt. Nun thut eine Gegenaction noth; oder, wenn man von Börsensachen im Börsenjargon sprechen will, eine Reaction, das heißt, ein Schlag gegen das Treiben der Börsenwettbureaux, bei dem es den börsenliberalen Herren schwarz vor den Augen wird. Man muss aus dem Urtheil des Obersten Gerichtshofes, das die Unwirksamkeit des Pfandrechtes an den Depots für Differenzgeschäfte aussprach, die Consequenzen ziehen. Tausende und Abertausende sind im Lauf der Jahre durch Banken und Bankiers um ihren Wertpapierbesitz gebracht worden. Die meisten haben ihn, wenn sie Börsenwetten verloren, freiwillig hingegeben. Ihnen ist nicht zu helfen; Zahlungen einer Schuld, zu deren Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt – und solcher Art sind alle Wettschulden – können nach § 1432 a.b.G.-B. ebensowenig zurückgefordert werden, wie wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, dass er sie nicht schuldig ist. Aber die Hunderte von Verleiteten und Ahnungslosen, von denen Zuschüsse zu ihren Depots verlangt und deren Engagements, weil sie sie nicht zu leisten vermochten, executiv gelöst wurden, alle die Armen, die die kargen Sparpfennige ihres Alters zu mehren gedachten und um die letzten gebracht wurden, sie können auf Grund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zurückfordern, was ihnen widerrechtlich entzogen worden ist. Mögen sie ehestens mit ihren Klagen an die Gerichte herantreten! Aber so wie die Action der Inhaber von Börsenwettbureaux muss auch die Gegenaction die Hilfe der Regierung anrufen. Wenn alles, was unglücklichen Spielern, die sich an die Börse wagten, wider ihren Willen und widerrechtlich abgenommen worden ist, zurückgefordert wird, dann werden die Capitalien der Banken und die Vermögen der Börsenbuchmacher nicht ausreichen. Die Regierung muss rechtzeitig für die Sicherstellung dieser Ansprüche sorgen. Sie setze Curatoren zur Wahrung der Rechte aller derer ein, die künftig Rückforderungen an Banken und Bankiers stellen wollen, sie bringe ein Gesetz vor den Reichsrath, dass eine Längstfrist für die Geltendmachung der Rückforderungen bestimmt, und sie stelle bis zum Ablauf dieser Frist die Banken und Bankgeschäfte unter Sequester. Herr v. Böhm-Bawerk bedauert gewiss, dass es an einer gesetzlichen Handhabe fehlt, um die Ansprüche der im Börsenspiel Geplünderten auch auf die aus dieser trüben Quelle stammenden Vermögen von Verwaltungsräthen und Bankdirectoren sicherzustellen und sich eventuell auch der Personen dieser Herren zu versichern. Hoffentlich bringt hier die Zukunft Rath. Im Deutschen Reich können wir jetzt beobachten, welch treffliche Wirkung die Verhaftung einiger Bankdirectoren thut. Wenn man uns eines Tages auch nur einen der unseren Spielbanken vorstehenden Ehrenmänner entrisse, so würde man sämmtlichen Instituten dieses Kalibers die Fortsetzung ihrer noch immer bloß vom landesfürstlichen Commissär und niemals von dem hoffentlich scharfsichtigeren Staatsanwalt geprüften Geschäftspraxis weit gewisser unmöglich machen, als es durch das beste Börsengesetz geschehen könnte. »Men, not measures« bedeutet in Börsensachen so viel wie: Keine gesetzlichen Maßnahmen gegen die Banken, aber die Festnahme der Bankdirectoren . . . .
Clarisse1 - 14. Okt, 13:31
Wenn ich nur ein Telephon habe, der Wald wird sich finden! Ohne Telephon kann man nur deshalb nicht leben, weil es das Telephon gibt. Ohne Wald wird man nicht leben können, auch wenn's längst keinen Wald mehr geben wird. Dies gilt für die Menschheit. Wer über ihren Idealen lebt, wird doch ein Sklave ihrer Bedürfnisse sein und leichter Ersatz für den Wald als für das Telephon finden. Die Phantasie hat ein Surrogat an der Technik gefunden; die Technik ist ein Surrogat, für das es keines gibt. Die Andern, die nicht den Wald, wohl aber das Telephon in sich haben, werden daran verarmen, daß es außen keine Wälder gibt. Die gibt es nicht, weil es innen und außen Telephone gibt. Aber weil es sie gibt, kann man ohne sie nicht leben. Denn die technischen Dinge hängen mit dem Geist so zusammen, daß eine Leere entsteht, weil sie da sind, und Vakuum, wenn sie nicht da sind. Was sich innerhalb der Zeit begibt, ist das unentbehrliche Nichts.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 4. Okt, 13:09
Die modernen Psychologen, die die Grenzen der Unverantwortlichkeit hinausschieben, haben reichlich darin Platz.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 3. Okt, 11:39
Den Kleinen ist es wichtiger, daß Einer sein Werk nicht für groß halte, als daß es groß sei.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 20. Sep, 15:29