L(i)eben
An Levin Schücking
von Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)
Kein Wort, und wär es scharf wie Stahles Klinge,
soll trennen, was in tausend Fäden eins,
so mächtig kein Gedanke, daß er dringe
vergällend in den Becher reinen Weins.
Das Leben ist so kurz, das Glück so selten,
so großes Kleinod: einmal s e i n statt gelten!
Hat das Geschick uns, wie in frevlem Witze,
auf feindlich starre Pole gleich erhöht,
so wisse, dort, dort auf der Scheidung Spitze
herrscht, König über alle, der Magnet,
nicht fragt er, ob ihn Fels und Strom gefährde,
ein Strahl fährt mitten er durchs Herz der Erde.
Blick in mein Auge, – ist es nicht das deine,
ist nicht mein Zürnen selber deinem gleich?
Du lächelst – und das Lächeln ist das meine,
an gleicher Lust und gleichem Sinnen reich;
worüber alle Lippen freundlich scherzen,
wir fühlen heilger es im eignen Herzen.
Pollux und Kastor, – wechselnd Glühn und Bleichen,
des Einen Licht geraubt dem Andern nur,
und doch der allerfrömmsten Treue Zeichen. –
So reiche mir die Hand, mein Dioskur!
Und mag erneuern sich die holde Mythe,
wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte.
Clarisse1 - 20. Apr, 10:59
von Frank Wedekind (1864 – 1918)
Laß uns mit dem Feuer spielen,
Mit dem tollen Liebesfeuer;
Laß uns in den Tiefen wühlen,
Drin die grausen Ungeheuer.
Menschenherzens wilde Bestien,
Schlangen, Schakal und Hyänen,
Die den Leichnam noch beläst'gen
Mit den gier'gen Schneidezähnen.
Laß uns das Getier versammeln,
Laß es stacheln uns und hetzen,
Und die Tore fest verrammeln
Und uns königlich ergötzen.
Clarisse1 - 3. Apr, 11:16
von Felix Dörmann (1819 – 1895)
Wieder grüßen Deiner Augen
Märchenhafte Zaubersterne
Herab zu mir,
Vom bleichen Antlitz,
Dem unnennbar süßen,
Und die alte, heiße Liebe
Lodert auf;
Wie vom Ätna Feuerströme,
Brechen aus den Flammenaugen,
Aus den mächtig, dunklen Sternen
Wilde Gluten in mein Herz,
Und mich faßt ein stürmendes Verlangen,
Eine brennend heiße, tolle Sehnsucht,
In die Arme wollustschauernd
Dir zu stürzen,
Deines Mundes Küsse aufzusaugen
Wie den Sonnenstrahl der Heliosblume . . .
Und Du siehst die Flammen in mir wühlen,
Siehst den Leib in Liebeskrämpfen beben –
Und Du lächelst kühl und spöttisch.
Aus: Neurotica. Leipzig 1891.
Clarisse1 - 27. Mär, 16:34
von Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle:
Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele . . .
Clarisse1 - 19. Mär, 09:46
von Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910)
Bei einem beinah alten Mann
Meldete sich klein Amor an
(Ein Mädchen wars in einer Hosenrolle).
Der Überraschte fragte, was er wolle.
"Dich prüfen will ich," sprach das liebe Ding
(Halb Gassenbub, halb Schmetterling),
"Ob du noch brennen kannst" und küßt ihn so,
Daß augenblicks er Feuer fing.
Darüber war der Mann natürlich froh.
Denn allzulange war er wie ein Besen,
Zwar dürr, doch ohne Glut gewesen.
Wie aber dann der Kleine wieder ging,
Da trat herein zur Türe groß
Madam Vernunft, setzt schwer sich auf den Schoß
Noch warm von Amors Hinterteilchen
Und sprach: Herr Lichterloh, glaubt nicht dem Mädel,
Das jetzt zu Euch in Amors Maske kam
Und augenblicks Besitz von Euerm Schädel,
Von Euerm Torenschädel nahm,
Denn es vertrieb sich bloß ein Langeweilchen.
Da bot der Mann Madam Vernunft den Arm
Und führte sie zur Tür und sprach: Au revoir,
Ihr sprecht wahrscheinlich wie gewöhnlich wahr,
Doch allzukühle, und ich bin von Herzen
Froh, daß mir endlich wieder einmal warm
Zumute ist. Der Liebe helle Kerzen
Lösch ich nicht aus. Wer weiß, wie bald ein Wind
Sie niederweht und ich im Finstern träume
Von hellen Kerzen, die erloschen sind.
Clarisse1 - 5. Mär, 22:32
Der moderne Mensch "läuft" zu leicht "heiß". Ihm fehlt zu sehr das Öl der Liebe.Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Clarisse1 - 21. Feb, 10:21
von Charlotte von Ahlefeld (1781 – 1849)
Diese Blume – ach sie kam von ihr!
Auch verwelkt noch ist sie heilig mir.
Längst sind ihre Farben hingeschwunden,
Wie die Seeligkeit vergangner Stunden –
Aber dennoch bleibt sie heilig mir,
Diese Blume – denn sie kam von ihr.
Tausend blühen schimmernd jetzt im Hain –
Farb' und Duft erfüllt ihr kurzes Seyn –
Aber mich reizt ihre Schönheit nicht,
Wenn nicht ihre Hand sie für mich bricht.
Längst verblichne Blume, Du allein
Sollst mir Weihgeschenk des Frühlings seyn.
Thränen trüben schwellend meinen Blick,
Denk' ich an den schönen Tag zurück,
Wo sie Dich im Morgenthau mir pflückte,
Und ich zärtlich an mein Herz Dich drückte.
Theure Blume – – mein entfloh'nes Glück
Kehrt wie deine Farbe nie zurück!
Clarisse1 - 16. Feb, 12:32
Es ist leicht den Haß, schwer die Liebe, am schwersten Gleichgültigkeit zu verbergen.Ludwig Börne (1786 – 1837)
Clarisse1 - 23. Jan, 10:26
Jede Stunde, dem Hasse vergeudet, ist eine Ewigkeit, der Liebe entzogen.Ludwig Börne (1786 – 1837)
Clarisse1 - 23. Jan, 09:21
von Louise Aston (1814 – 1871)
Kann ich lindern dieses Sehnen,
Das mich träumend Dir vereint?
Dir verhaßt sind diese Thränen,
Die der blasse Kummer weint;
Die ein Opfer des Geschickes
Weint am Grab entschwund'nen Glückes! –
"Ihre Todten zu begraben,
Laß' die Todten sich bemüh'n!
Doch des Lebens reichste Gaben
Mögen den Lebend'gen blüh'n.
Ewig soll's im Herzen lenzen,
Neue Triebe, neue Kraft!
Und mit frischen Blüthenkränzen
Schmücke sich die Leidenschaft!
Was im Sturm der Zeit verloren,
Sei verjüngt und neugeboren!
Wenn der Sonne Glanz versunken,
Wenn verglüht des Tages Pracht;
Steige auf, von Wonne trunken,
Gluterfüllte Liebesnacht!" –
Und doch rührt mich frisches Leben
Nicht mit seinem Zauberstab.
Träumende Gedanken schweben
Um entschwund'ner Zeiten Grab;
Und es grüßt die bange Klage
Abendroth versunk'ner Tage.
Will ich kräftig mich ermannen,
Fliehen der Erinn'rung Fluch;
Fehlt, die Geister fortzubannen,
Mir der mächt'ge Zauberspruch!
Schau' umher ich tiefbekümmert,
Alles wird zur Elegie;
Und im Innersten zertrümmert
Ist der Seele Harmonie;
Klagend in Erinnerungen,
Eine Glocke, die gesprungen!
Wer dem machterfüllten Beben
Ihrer Töne einst gelauscht;
Hört, wie jetzt zerriss'nes Leben
In gebroch'nen Klängen rauscht.
Schöne Tage, kehret wieder!
Bringt das Herrliche zurück!
Seiner Freiheit wilde Lieder;
Seiner Liebe mildes Glück!
Ja, vergessen war mein Dulden,
Und vergeben mein Verschulden!
Deiner Lehre treuer Jünger
Weint' ich keinem Glücke nach,
Denn ein neuer Freudenbringer
Stieg empor der neue Tag.
Sprach'st Du mir von Männerwürde,
Von der Freiheit Herrlichkeit,
Warf ich eig'ner Sorgen Bürde
In das weite Meer der Zeit.
Eine Schranke muß ja fallen,
Und ein Morgen tagt uns allen!
Wenn den unterdrückten Knechten
Erst der Freiheit Sonne scheint;
Wird das Weib mit gleichen Rechten
Einst dem freien Mann vereint.
Nimmer lausch' ich mehr dem Worte,
Das mein Innerstes durchklang;
Pochend an der Zukunft Pforte
In der Jugend Thatendrang,
Raubend von des Himmels Heerde
Licht und Feuer für die Erde.
Solcher Liebe heißes Werben
Wurde rasch des Friedens Grab;
Und in seliges Verderben
Stürzt' ich freudig mich hinab. –
Kann ich lindern dieses Sehnen,
Das mich träumend Dir vereint?
Dir verhaßt sind diese Thränen,
Die der blasse Kummer weint!
Wohl! so will ich schmerzhaft ringen,
Finst're Trauer zu bezwingen: –
"Ihre Todten zu begraben,
Laß die Todten sich bemüh'n;
Doch des Lebens reichste Gaben
Mögen den Lebend'gen blüh'n!"
Aus: Wilde Rosen (1846)
Clarisse1 - 20. Jan, 15:44